
CEWE Fotoschule
Bessere Bilder durch Anschnitte
Vor ein paar Monaten saß ich mit einem Kunden zusammen, der mich für eine 1:1-Bildbesprechung seiner Motive gebucht hatte. Fast alle seiner 50 präsentierten Bilder wirkten auf den ersten Blick irgendwie gut, aber gleichzeitig extrem unruhig. Nach dem vielleicht zehnten Foto kam ich auf die Idee, alle Bilder auf ein breites 1:3-Panoramaformat zu beschneiden. Durch diesen gezielten Beschnitt konnten wir die Grundaussage seiner Motive herausarbeiten und sie wirkte plötzlich viel klarer. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Fotografinnen und Fotografen oft zu weit weg vom Motiv stehen und so zu viele überflüssige Objekte im Bild haben.
Dr. Micha Pawlitzki ist einer der besten europäischen Naturfotografen. Er kreiert faszinierende Natur- und Landschaftsfotos auf höchstem Niveau. Im CEWE Kundenmagazin FOTOZEIT gibt er als Gastautor der Fotoschule Einblicke in die Bildkomposition der Profis. Weitere Informationen über seine Arbeit finden Sie am Ende dieses Artikels.
Hier haben wir so einen Klassiker: Vom eigentlichen Motiv (dem alten Baum) lenken unter anderem das Auto, die grüne Wiese und die graue Straße ab. Gehen Sie bei solchen Motiven näher an das Motiv heran und blenden Sie fotografisch alles aus, was vom Eigentlichen ablenkt. Im nächsten Bild sehen wir, welchen Unterschied ein paar Meter Annäherung machen: Der Baum kann nun in seiner wunder baren Knorrigkeit wirken, sogar der ausgehöhlte Stamm wird sichtbar.
Beim Thema „Ausschnitte“ darf auch der Tipp zum Verwenden verschiedener Bildformate nicht fehlen. Nur weil Ihr Kamerasystem ein bestimmtes Seitenverhältnis (in der Regel 2:3) vorgibt, heißt das nicht, dass Sie nicht auch quadratische oder Panoramaformate fotografieren, beziehungsweise später in der Bildbearbeitung festlegen können.
Regelmäßig höre ich die Frage: „Darf ich meine Bilder denn beschneiden?“ Ja, klar, Sie sind ein freier Mensch und nur Sie entscheiden, ob ein alternatives Format Ihr Motiv aufwertet.
Dieses Bild habe ich vor Kurzem in Spanien aufgenommen und hatte für ein paar Minuten das Glück eines kompletten Regenbogens, der sich zart in einem Gezeitenpool spiegelt. Beim Hochformat hat mich am unteren Bildrand das Durchscheinen der Steine und Pflanzen gestört, daher habe ich es auf ein Quadrat beschnitten. Durch den Beschnitt wird zudem der wichtige Felsbogen in der Bildmitte dominanter.
Um das Buchlayout ruhig zu halten, konzentrieren Sie sich am besten auf maximal drei bis vier Bildformate. Hier habe ich versucht, mit einem innovativen Ausschnitt dieses häufig fotografierte Motiv der riesigen Leuchtreklamen neu zu interpretieren. Durch die Integration des Schriftzuges „BROADWAY“ im Vordergrund schaffe ich räumliche Tiefe und bringe eine zusätzliche Information ins Bild. Das Wort „BROADWAY“ schafft für die meisten Betrachtenden zum einen eine geografische Verortung, außerdem transportiert es im besten Fall positive Assoziationen und Erinnerungen. Zusätzlich beschneide ich bewusst die Buchstaben links, rechts und unten. Die Farben und das ganze Bild werden so noch kräftiger für mich und der Betrachter ergänzt problemlos gedanklich die angeschnittenen Buchstaben.
5 Tipps vom Foto-Profi
1. Näher ran!
Bei vielen Bildern hilft es, wenn Sie auf das Motiv zugehen. Halten Sie gezielt alles Überflüssige aus Ihren Bildern raus.
2. Zu wenig im Bild
Es gibt auch den gegenteiligen Effekt, dass Motiven die Spannung fehlt, weil der Ausschnitt zu eng gewählt wurde. Oft sind diese Bilder zu platt, zu zweidimensional fotografiert. Durch einen größeren Ausschnitt, z. B. durch das Einbeziehen des Vordergrundes, erreichen Sie mehr Tiefe und Plastizität im Bild.
3. Ausschnitt festlegen
Natürlich kann man jedes Bild nach der Aufnahme mit einer Bildbearbeitungssoftware beschneiden. Um richtig fotografieren zu lernen und um die qualitativen Vorteile des vollen Bildformats zu nutzen, finde ich es aber zielführender, gleich während der Aufnahme den idealen Bildausschnitt zu definieren.
4. Formate einstellen
Formate einstellen Nirgendwo steht geschrieben, dass Sie das normale Bildformat Ihrer Kamera (in der Regel 2:3) für alle Ihre Fotos verwenden müssen. Bei vielen Kameras können Sie z. B. ein breiteres 16:9- oder ein quadratisches Format einstellen. So sehen Sie bereits während der Aufnahme den Nutzen eines alternativen Ausschnitts.
5. Die Fantasie anregen!
Sie müssen nicht immer alles plakativ in Ihren Bildern zeigen. Manchmal regt ein engerer Bildausschnitt, der eben nicht alles zeigt, die Fantasie des Betrachters an und lässt Interpretations-Spielraum.
Haben Sie schon die ersten vier Teile der CEWE Fotoschule gelesen?
- Bildgestaltung mit Linien, Punkten und Flächen
- Fotografieren im Goldenen Schnitt – und mittig
- Bilder gestalterisch einrahmen
- Gestalten mit Licht
Viel Freunde beim Fotografieren wünscht Ihnen
Ihr Team von CEWE